Der Krisensimulator – Was Unternehmen sich von Profi-Piloten abschauen können
Was würden Sie denken, wenn Sie einen Manager sehen, der immer wieder durchspielt, was alles schief gehen könnte?
Aber genau das ist es, was professionelle Piloten regelmäßig tun. Immer und immer wieder analysieren sie Unfallberichte und trainieren im Simulator. Doch wofür ist das gut?
Erinnern Sie sich an den 15. Januar 2009? Das war der Tag der legendären Landung auf dem Hudson River. Kurz nach dem Start in La Guardia kollidierte ein Airbus mit einem Gänseschwarm und beide Triebwerke fielen aus. Und nun wurde der Airbus mit 155 Menschen an Bord zum Segelflugzeug. Was nur wenige wissen: die Zeitspanne vom Ausfall der Triebwerke bis zum Aufsetzen auf dem Hudson betrug genau 208 Sekunden. Glauben Sie, dass es irgendeinen Menschen auf der Welt gibt, der in der Lage wäre eine komplexe, unbekannte und gleichzeitig überraschende Situation differenziert zu analysieren, verschiedene Handlungsoptionen zu entwerfen, eine Entscheidung zu treffen und dann den Handlungsplan auch noch konsequent abzuarbeiten? In 208 Sekunden? Ganz sicher nicht!
Piloten können in Extremsituationen nur deshalb Höchstleistungen abrufen, weil sie vorbereitet sind. Unter Stress die richtigen Entscheidungen zu treffen, funktioniert nur, wenn man einen mentalen Plan hat, ein Gerüst, auf das man zurückgreifen kann ohne darüber nachdenken zu müssen.
Seit vielen Jahren gebe ich Trainings für Piloten zu genau diesem Thema, in der Fliegerei nennt man das „Crew Resource Management“. Berufspiloten müssen, zusätzlich zu ihrem Simulatortraining mindestens einmal pro Jahr solch ein Training durchlaufen und dabei zeigt sich immer wieder eins: nur etwa 10% aller Zwischenfälle haben technische Ursachen; in beinahe 90% aller Fälle ist der Mensch die Ursache.
Nun es für Piloten klar, dass ein Human Factor Training sinnvoll ist. Doch wie ist das im Management? Sie ahnen es: diese Welten liegen gar nicht so weit auseinander.
Was würden Sie davon halten, wenn der Pilot Ihres Flugzeuges bei einem Problem erst mal einen Arbeitskreis bildet? Klingt absurd? Warum akzeptieren wir es dann im Management. Wie kann es sein, das Unternehmen immer wieder „überraschend“ in Krisen rutschen oder von „unvorhergesehenen“ Marktveränderungen kalt erwischt werden?
Angelehnt an den Flugsimulator für Piloten habe ich für Unternehmen einen Krisensimulator entwickelt. Auch hier geht darum, Störfälle und Schwierigkeiten vorweg zu nehmen. Dieser Krisensimulator durchläuft drei Schritte:
1. Identifizieren
Ein Negativ-Brainstorming mit dem Ziel möglichst viele schwierige oder gar bedrohliche Szenarien zu finden. Von gesetzlichen Änderungen, Marktverwerfungen über den Verlust wichtiger Mitarbeiter bis hin zu Sabotage.
Niemand beschäftigt sich gern mit diesen Themen und doch ist es sinnvoll sich hier die Zeit zu nehmen, Teufels Advokat zu spielen und dabei möglichst kreativ zu sein.
2. Strukturieren und priorisieren
Wenn Sie im ersten Schritt wirklich gut waren, könnten Sie jetzt einwenden, dass Sie sich nicht auf alles vorbereiten können. Müssen Sie auch nicht. Eine Skala mit zwei Polen reicht: Auf der einen sind die Ereignisse, deren Eintreten relativ wahrscheinlich ist, die Auswirkungen aber relativ gering sind. auf die andere Seite kommen die Ereignisse, die wahrscheinlich nie eintreten, wenn dann aber als Katastrophe.
3. Schritt: Maßnahmenplan
Im letzten Schritt nehmen Sie von beiden Polen die gravierendsten fünf Punkte und erstellen hier konkrete Maßnahmenpläne und Checklisten: auf was ist zu achten, wer macht was, wer redet mit wem, welche Ressourcen können aktiviert werden usw.
Das spannende ist, das Sie sehr schnell merken werden, dass Sie gar nicht für jedes potentielle Szenario einen Plan brauchen, die meisten Themen wiederholen sich nämlich.
Auf jeden Fall bauen Sie sich so ein Fundament, dass Ihnen im Ernstfall die Möglichkeit gibt, sich um die wirklich wichtigen Dinge zu kümmern und Ihr Projekt zum Erfolg zu führen, wie im Hudson River!